Seminar zum Zeitmanagement und zur Arbeitsorganisation für Hörbehinderte Berufstätige
1. Ausgangssituation:
„Warum haben Sie Ihre Arbeit nicht termingerecht erledigt?“ ist eine Frage, mit der hörbehinderte Menschen in ihrem beruflichen Alltag nicht selten konfrontiert sind.
In den Seminaren des Instituts 4 C erhalten wir regelmäßig solche und ähnliche Rückmeldungen der hörbehinderten Teilnehmenden. Nicht schnell genug zu arbeiten und Aufträge nicht effizient einteilen zu können sind auch Kritiken von Arbeitgebern. Mangels Vertrauens in selbständiges Arbeiten und Verantwortungsfähigkeit ihrer hörbehinderten Mitarbeitenden und oftmals auch zur Verringerung des Kommunikationsaufwandes besteht die deutliche Tendenz, sich autoritärer, statt kooperativer Führungsstile zu bedienen. Auf diese Weise manifestiert sich ein verzerrtes Bild zur Leistungsfähigkeit der Hörbehinderten sowohl seitens des Vorgesetzten als auch seitens der Kollegenschaft, das positive berufliche Entwicklungen kaum zulässt und negative Effekte wie Isolation und die Gefährdung des Arbeitsplatzes nach sich ziehen kann.
Hörbehinderte Berufstätige nehmen wahr, dass ihre Vorgesetzten sich ihnen gegenüber trotz vergleichbarer Ausbildungsprofile anders verhalten als gegenüber den (gut hörenden) Kollegen und erfahren dies als im Hinblick auf ihre Hörbehinderung benachteiligend. Berufliche Kompetenzen nicht entfalten zu können, führt zu Frust, Stress und nachlassender Arbeitsmotivation mit der Folge, dass sich die problematische Ausgangssituation verschärfen kann.
Hörbehinderte Menschen sind sich häufig nicht der Eigenverantwortlichkeit für eine termingerechte Zielerreichung sowie die entsprechende Organisation ihrer Arbeitsabläufe bewusst. Zudem verfügen viele nicht über Erkenntnisse und Strategien, um den beschriebenen nachteiligen Entwicklungen wirksam begegnen zu können.
Diese Situation hat vielfältige Gründe und ihren Ursprung vor allem in Erfahrungs- und Reflexionsdefiziten. Entwicklungspsychologisch wirkt sich aus, dass hörbehinderte Menschen sich in Kindheit und Jugend mangels Kommunikation auf Augenhöhe überwiegend in einer Rolle erlebt haben, in der das Bemühen, andere zu verstehen, Vorrang hatte. Eigene Meinungen zu äußern und umzusetzen, Stellung zu nehmen oder kritisch zu hinterfragen, wie es in der Entwicklung nicht behinderter junger Menschen als selbstverständlich zur Ausprägung von Eigenverantwortlichkeit geschieht, hatte aufgrund der Kommunikations-beeinträchtigungen einen oftmals deutlich geringeren Stellenwert und wurde kaum erfahren bzw. gelernt. Dass dies auch Folgen zulasten der Erkenntnis von Eigenverantwortlichkeit haben kann, liegt auf der Hand.
Erschwerend wirkt im Arbeitsprozess zudem, dass sich Kommunikations-beeinträchtigungen nicht nur auf die unmittelbaren Kommunikationssettings mit Vorgesetzten und Kollegen auswirken, sondern dass Gespräche mit wichtigen Informationen zur Aufgabenerledigung durchaus unbeabsichtigt in Zusammen-hängen geschehen können, die den Hörbehinderten nicht einbeziehen. Infolgedessen fehlen wichtige Kontextinformationen, die notwendig sind, um eigenverantwortliches Zeitmanagement realisieren zu können. Gleichzeitig fällt es hörbehinderten Menschen schwer, ein Bewusstsein und Strategien zu entwickeln, die Informationsdefizite rechtzeitig und zielführend kompensieren.
Spezielle Seminare zum Zeitmanagement für hörbehinderte Berufstätige werden bisher in Deutschland nicht angeboten. Die Teilnahme an allgemeinen Seminaren zum Zeitmanagement ermöglicht keine vergleichbaren Kommunikations-voraussetzungen. Darüber fördern sie nicht den Erfahrungsaustausch unter ähnlich Betroffenen und die Auseinandersetzung mit Beeinflussungsfaktoren, die mit Hörbehinderungen in Zusammenhang stehen.
2. Inhaltliche Informationen zum Seminar:
2.1 Ziele
In Arbeitsprozessen ein effektives Zeitmanagement vornehmen zu können erfordert die Erkenntnis der Eigenverantwortlichkeit sowie Kenntnisse zu Methoden der Umsetzung unter Berücksichtigung besonderer kommunikativer Anforderungen.
Die Teilnehmenden erfahren Methoden, ihren Arbeitsablauf zeitgerecht zu organisieren (persönliche Arbeitseinteilung, Termin- und Zeitmanagement), setzen sich mit Umsetzungserschwernissen auseinander und es werden Strategien vermittelt, wie solchen Erschwernissen entgegengewirkt werden kann.
2.2 Schwerpunkte des Seminars
- Selbstreflexion und Erfahrungsaustausch
- Sammeln von Erfahrungen zum Zeitmanagement aus der beruflichen Lebenswelt
- Auseinandersetzung mit und Zuordnung von Erschwernissen als Grundlage differenzierter Strategien:
sind sie situationsbezogen, haben sie mit der Persönlichkeit zu tun oder sind behinderungsbedingt? - Erkennen bereits vorhandener Coping-Strategien
- Methodenvermittlung zum Zeitmanagement, angepasst an Arbeitsplatz-situationen und Hörbehinderungen
- Eisenhower-Prinzip/ Matrix
- Pareto-Prinzip
- Zeitflussanalyse (Zeitdiebe identifizieren)
- Einzel- und Gruppenübungen
- Rollenspiele zum Einüben von neu erlernten Handlungsstrategien und Reflexion
- Kleingruppenarbeit zu Vor- und Nachteilen von ausgewählten Methoden
- Präsentationen der Teilnehmenden bzgl. eines Umsetzungsplans der Methoden in die Arbeitspraxis
2.3 Methoden des Seminars:
- Vortrag
- Einzel- und Gruppenarbeit
- Rollenspiele
- Video
3. Seminarleitung:
Raffael Canal
Systemische Paar- und Familientherapie
Systemische Beratung (zertifiziert gem. DGSF)
Berufliche Beratung und Coaching (zertifiziert für AVGS)
Marvin Küllsen
Diplom-Sozialarbeiter und systemischer Berater (DGSF)
2 Gebärdensprachdolmetscher in Trainings und Rollenspielen
Bei Anmeldung werden die Zimmer für die Teilnehmer im Strandhotel Duhnen automatisch reserviert. Übernachtungskosten sind nicht in der Teilnehmergebühr inbegriffen. Sonderpreis für die Teilnehmer 134,50 € je Nacht im Strandhotel Duhnen.
Dieses Seminar wurde vom Integrationsamt als förderungsfähig im Sinne von § 24 SchwbAV anerkannt.
Datum
25. Januar 2024 bis 28. Januar 2024
Methoden
- Vortrag - Einzel- und Gruppenarbeit - Rollenspiele - Video
Seminarort
Strandhotel Duhnen
Duhner Strandstraße 5-9
27476 Cuxhaven
Anmeldeschluss am
21. Dezember 2023